TV-Anbieter konnte Widerspruch nicht ungeschehen machen
Amtsgericht München Urteil vom 5.8.2022 (Az. 142 C 1633/22). (…) In dem vom AG München beurteilten Fall hat sich der TV-Anbieter allerdings mit seinem nur scheinbar geschickten „Kundenverwaltungssystem“ selbst eine Falle gestellt und sich selbst geschadet. Vermutlich zahlt sich der Trick mit dem Kundenverwaltungssystem allerdings für den TV-Anbieter in der Mehrzahl der Fälle aus.
Der Fall, in Anlehnung an die Pressemitteilung des Gerichts vom 19.8.; im Volltext wurde das Urteil noch nicht publiziert. Der Kläger betrieb eine E-Mail-Adresse. Im Dezember 2021 hatte er in einer E-Mail einem TV-Anbieter untersagt, seine personenbezogenen Daten zu nutzen. Trotzdem erhielt er im Januar 2022 erneut elektronische Post des TV-Anbieters, mit der dieser für den Abschuss eines 12-monatigen Abos warb. Der Kläger forderte daraufhin den TV-Anbieter zunächst außergerichtlich zur Unterlassung auf. [Anmerkung: Seine ursprüngliche Abmahnung erwähnte er anscheinend nicht.] Nachdem der TV-Anbieter nicht reagierte, hat der Nutzer geklagt. Er argumentierte nach der Datenschutzgrundverordnung hätte er im Dezember 2021 jederzeit und insbesondere formlos abmahnen dürfen.
Der TV-Anbieter trug vor, dem Nutzer sei auf seine Nachricht vom Dezember mitgeteilt worden, dass er ganz einfach seine Einwilligung im Kundenverwaltungssystem entziehen könne. Da der Kläger dies nicht getan habe, habe sie davon ausgehen können, dass seine Einwilligung weiterhin Bestand haben könne. Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt.
Der zuständige Richter führte in der Begründung aus: „(…) Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht zu. Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutig erklärten Willen des Klägers stellt einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (vgl. Senat, Urteil vom 19.12.1995 – VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; BVerfGE 35, 202, 220; 44, 197, 203).
Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen – als solche nicht ehrverletzenden – Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15 –, Rn. 11 – 12, juris).
Die Beklagte [TV-Anbieter] stellt nicht in Abrede, dass die von ihr unstreitig nach dem Widerspruch des Klägers übersandten E-Mails Werbung enthalten. Nach dem Widerspruch des Klägers war das Übersenden von Werbung mittels elektronischer Post gem. § 7 Abs.2 Nr.3 UWG unzulässig, weil der Beklagten der entgegenstehende Wille des Klägers dann erkennbar war. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand der Beklagten, der Kläger habe in ihrem „Kundenverwaltungssystem“ darüber hinaus noch bestimmte Einstellungen selbst tätigen müssen. Der Widerspruch gegen die Zulässigkeit elektronischer Werbung ist an keine bestimmte Form gebunden; die Verwaltung ihrer Kundendaten obliegt allein der Beklagten und kann nicht auf den Kunden abgewälzt werden. (…)
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