Ablehnung der Marke „Fack Ju Göhte“ soll aufgehoben werden
Im Jahr 2015 meldete die Constantin Film Produktion GmbH (Constantin Film) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das dem Titel eines erfolgreichen deutschen Films entsprechende Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ zur Eintragung als Unionsmarke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen an. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen, weil das Wortzeichen gegen die „guten Sitten“ verstoße. Das EUIPO war der Ansicht, die Wörter „Fack Ju“ würden genauso ausgesprochen wie der englische Ausdruck „fuck you“ und stellten daher eine geschmacklose, anstößige und vulgäre Beleidigung dar, durch die der hochangesehene Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe posthum beleidigt werde.Im Jahr 2017 erhob Constantin Film Klage beim Gericht der Europäischen Union und beantragte, die Entscheidung des EUIPO aufzuheben. Das Gericht hat die Klage abgewiesen.Gegen das Urteil des Gerichts hatConstantin Film beim Gerichtshof der Europäischen Union Rechtsmittel eingelegtund rügt Fehler bei der Auslegung und der Anwendung der Unionsmarkenverordnung. In seinen Schlussanträgen am 2.7.2019 schlägt Generalanwalt Bobek dem Gerichtshof vor, das Urteil des Gerichts und die Entscheidung des EUIPO aufzuheben.
Der Generalanwalt weist darauf hin, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Markenrecht Anwendung finde. Das EUIPO spiele beim Schutz der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten zwar eine Rolle, doch handele es sich dabei nicht um seine Hauptaufgabe. Hinsichtlich der Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“, auf die in der Verordnung Bezug genommen wird, bestehe zwar eine gewisse Überschneidung, jedoch sei zwischen beiden Begriffen zu unterscheiden. Möchte das EUIPO, wie im vorliegenden Fall, insbesondere auf das absolute Eintragungshindernis der guten Sitten abstellen, müsse es darlegen, weshalb ein bestimmtes Zeichen gegen diesen Grundsatzverstoßen würde. Diese Beurteilung müsse sich unbedingt auf einen bestimmten sozialen Kontext stützen und es dürften keine tatsächlichen Beweise außer Acht gelassen werden, die die eigenen Ansichten des EUIPO darüber, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft den guten Sitten entspricht oder nicht entspricht, entweder bestätigen oder möglicherweise infrage stellen.
Für die vorliegende Rechtssache gelangt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass die vom Gericht bestätigte Beurteilung durch das EUIPO diesen Anforderungen nicht genüge. Der Generalanwalt setzt sich insoweit mit der Bewertung bestimmter von Constantin Film vorgebrachter Aspekte durch das EUIPO und das Gericht auseinander; dazu gehören etwa der Erfolg des Films „Fack Ju Göhte“, der trotz seines Titels nicht umstritten gewesen sei, die Genehmigung des Filmtitels und die Freigabe des Films für Jugendliche. Zwar sei keiner dieser Aspekte als solcher entscheidend für die Beurteilung, doch gehe von ihnen eine starke Indizwirkung für die soziale Wahrnehmung in Bezug auf die guten Sitten aus. Daher hätten das EUIPO und das Gericht erheblich überzeugendere Argumente dafür anführen müssen, weshalb ihrer Meinung nach eine gleichnamige Marke wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten eintragungsfähig sei.
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