AG Pirna sieht keine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung: „Ungeimpft“-Stern auf Facebook gepostet
Das Amtsgericht (AG) Pirna sprach einen Facebook-Nutzer, welcher einen „Judenstern“ mit dem Wort „Ungeimpft“ postete, frei. Eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung sei nicht gegeben, da der Post im konkreten Fall nicht geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören.
Auf Corona-Demos und im Internet kommt es immer wieder zu Holocaust-Vergleichen durch sogenannte Ungeimpft-Sterne. Demonstrierende tragen Davidsterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“, die aussehen wie die „Judensterne“ der NS-Zeit. Sie vergleichen dadurch die Verfolgung von Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus mit der heutigen Situation ungeimpfter Personen. Wie die Vergleiche strafrechtlich zu beurteilen sind, ist nicht eindeutig, da nicht jede antisemitische Äußerung, nicht jede Holocaust-Verharmlosung strafbar ist.
Das AG Pirna in Sachsen hat nun entschieden, dass das Posten eines Bilds von einem „Ungeimpft“-Stern in sozialen Netzwerken nicht strafbar sei (Urt. v. 19.9.2022, Az. 212 Ds 378 Js 111122). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat Rechtsmittel eingelegt.
Angeklagt war ein Facebook-Nutzer, der einen Davidstern in Ausgestaltung eines „Judensterns“ gepostet hatte. Anstelle des Wortes „Jude“ stand auf seinem Stern „Ungeimpft“ mit dem Zusatz „und vogelfrei“. Der Davidstern mit der Aufschrift „Jude“ wurde von 1941 bis zum Kriegsende, allen Juden ab dem sechsten Lebensjahr vorgeschrieben zu tragen. In den Jahren von 1933 bis 1945 stand er für das Symbol der Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. Dem Facebook-Nutzer sei dies laut Urteil auch bekannt gewesen, dass der „Judenstern“ bewusst genutzt wurde, um die Juden von dem Rest der Gesellschaft auszugrenzen. Er habe dieses Symbol auch bewusst ausgewählt, da er sich als „Ungeimpfter“ ebenfalls aus der Gesellschaft ausgeschlossen fühle. Der Nutzer gab auch vor Gericht an, dass es sich dabei nicht nur um ein Gefühl gehandelt habe, sondern er auch in Alltagssituationen konkret von der Gesellschaft ausgegrenzt wurde.
Der Tatbestand des § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch stellt das Billigen, Leugnen und Verharmlosen des NS- Völkermordes unter Strafe, soweit es öffentlich oder in einer Versammlung und in einer Weise geschieht, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Volksverhetzung kann insbesondere auch durch die Veröffentlichung im Internet begangen werden. Zweck der Norm ist besondere Missachtung, Verhöhnung und fortgesetzte Diskriminierung der Betroffenen und der betroffenen Gruppe Zugehörigen unter Strafe zu stellen.
Den Tatbestand der Volksverhetzung hat der Nutzer laut AG Pirna dennoch nicht erfüllt. Nach Auffassung der sächsischen Richter habe der Nutzer keine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, verharmlost. In dem Urteil des AG heißt es außerdem, dass er das Unrecht, welches den Juden zugefügt wurde, grade nicht verharmlosen wollte. (…)
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