Amazon: Marketplace-Händler haften für fremde Angebote

(…) Wer sich an bereits bestehende Angebote bei Amazon Marketplace „anhängt“, haftet für Urheberrechtsverletzungen dieses Angebots. Dies entschied das Landgericht Köln mit nun bekannt gewordenem Urteil (Urt. v. 22.02.2022, Az. 14 O 327/21).

Eine Online-Händlerin mit An- und Verkaufsservice im Bereich gebrauchter Medien, insbesondere Bücher, nutze für ihr Geschäft neben einer eigenen Website auch die Verkaufsplattform Amazon. Über ihren Online-Shop bei Amazon vertrieb sie etwa 7,6 Millionen Artikel jährlich, was etwa 20 000-22 000 Artikeln pro Tag entspricht. Üblicherweise verkauft die Händlerin nur Einzelstücke, d.h. gebrauchte Artikel, die lediglich einmal im Lagerbestand vorhanden sind.

Unter anderem wurde in dem Online-Shop das Exemplar eines Bilderwerks angeboten, das eine als Designerin und Herausgeberin im Bereich der Kunst sowie Fotografin tätige Frau gemeinsam mit ihrem Lebenspartner herausgegeben hatte. Dabei hatte die Händlerin das Angebot nicht selbst erstellt, sondern sich an ein bereits bestehendes Angebot bei Amazon „angehängt“.

„Anhängen“ von Amazon erwünscht
Das „Anhängen“ an andere Angebote ist von Amazon vorgesehen und erwünscht. So soll es nach Angaben des Internetriesen möglichst zu jedem Produkt nur ein Angebot geben, das von demjenigen erstellt wird, der das Produkt erstmalig auf Amazon anbietet, woraufhin für dieses Produkt eine sogenannte Amazon Standard Identification Number (ASIN) vergeben wird. Weitere Händler, die das Produkt führen, können sich dann unter Nutzung der ASIN einfach an das bestehende Angebot „anhängen“. Der Kunde erhält dann im Rahmen des einen Angebots eine Übersicht aller anbietenden Händler und Preise.

Produktbild urheberrechtlich geschützt
Als Produktbild wurde in dem Angebot das Coverbild des angebotenen Buches verwendet, dessen Urheberin die Herausgeberin des Buches war. In dem Anhängen an das bereits bestehende Amazon-Angebot erblickte sie eine Urheberrechtsverletzung und mahnte die Händlerin ab. Diese wies die Abmahnung jedoch zurück, woraufhin sie von der Urheberin vor dem LG Köln auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt wurde.

Die Kölner Richter gaben der Urheberin nun Recht, da sie im Anhängen an das Amazon-Angebot eine „öffentliche Zugänglichmachung“ des Bildes im Sinne von § 19a UrhG sahen. Die Händlerin hatte versucht, sich damit zu verteidigen, dass sie den Inhalt des Angebots, an dass sie sich anhänge, nicht beeinflussen könne. Nur der ursprüngliche Ersteller des Angebots könne die Produktbilder auswählen und ändern. Diesen Einwand ließ das Gericht aber nicht gelten: Wer im eigenen Namen ein Angebot veröffentlichen lasse, dessen Inhalt er gar nicht beherrschen könne, müsse auch für etwaige Urheberrechtsverletzungen des Angebotserstellers haften.

Marketplace-Händler haben Kontrollpflichten
Zur Begründung verwiesen die Richter darauf, dass man sich seiner Verantwortlichkeit für Angebote, die man im eigenen Geschäftsinteresse veröffentliche, nicht dadurch entziehen könne, dass man sich zu ihrer Erstellung Dritter bediene. Zudem sei das Risiko, dass es zu Urheberrechtsverletzungen durch den Dritten komme, durchaus vorhersehbar. Daher müsste ein sich anhängender Händler hier prüfen, ob solche Verletzungen vorlägen. Wegen dieser Prüfpflichten half der Händlerin auch der Einwand nicht, das Anhängen an fremde Angebote laufe bei ihr vollständig automatisiert ab, so dass die Urheberrechtsverletzungen im Vorfeld niemandem auffallen könnten. Die Richter fanden hier klare Worte: Die Händlerin träfen „dieselben Kontrollpflichten wie jeden anderen Marktteilnehmer“. Durch ihren Vortrag mache die Shop-Betreiberin „nur deutlich, dass sie diese Kontrollpflichten schlicht ignoriert“. Weiterhin stellte das LG klar, dass sich eine Händlerin nicht auf Haftungsprivilegien berufen können, wie sie von der Rechtsprechung in der Vergangenheit etwa Suchmaschinenbetreibern und Host-Providern eingeräumt worden seien. (…)
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