Auskunft an Journalistin zu Unrecht verweigert
(…) Fragen einer Journalistin an das Bundesverfassungsgericht zum umstrittenen gemeinsamen Abendessen von Verfassungsrichtern und Mitgliedern der Bundesregierung im Sommer 2021 waren überwiegend berechtigt und hätten beantwortet werden müssen. Das entschied nun das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Rahmen eines Streits zwischen BVerfG und einer BILD-Journalistin um Gerichtskosten (Beschl. v. 14.6.2022, Az. 4 K 233/22).
Während im Sommer 2021 mehrere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit von durch die Bundesregierung angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen beim BVerfG anhängig waren, veranstalteten Mitglieder der Bundesregierung und Verfassungsrichter ein gemeinsames Abendessen. Hieran wurde bereits im Vorfeld Kritik laut, da jeder Anschein einer Kungelei vermieden werden müsse. Besonders pikant: Auf Initiative des BVerfG-Präsidenten Stephen Harbarth wurde die Tagesordnung geändert und das Thema „Entscheidungen unter Unsicherheiten“ mit aufgenommen. Während die Verfassungsrichterin Susanne Baer in ihrem Vortrag eher abstrakt blieb, referierte die damalige Justizministerin Christine Lambrecht konkret zu politischen Unsicherheiten während der Covid-19-Pandemie. In der Folge dieser Vorgänge stellten die Beschwerdeführer der bereits beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesnotbremse Befangenheitsanträge gegen die Stephan Harbarth und Susanne Baer, die jedoch im Oktober 2021 zurückgewiesen wurden.
Die „Bild“-Reporterin Lydia Rosenfelder wollte mehr zu den Gesprächsinhalten des Abends wissen. Im Zuge der Recherche stellte sie unter anderem fest, dass die vom BVerfG zu dem Ereignis herausgegebene Akte weder Inhalte der gehaltenen Vorträge enthielt noch alle Dokumente vorhanden waren, die sich in der von der Bundesregierung herausgegebenen Akte fanden. So fehlte namentlich ein Dankesschreiben des Gerichtspräsidenten Harbarth an die Bundesregierung. (…)
Nunmehr dem Verdacht einer Geheimhaltung oder gar Manipulation der Akte folgend, stellte Rosenfelder dem BVerfG in der Folge verschiedene Fragen. Ihre am 22.10.2021 gestellte Frage zu Inhalten des Vortrags von Verfassungsrichterin Baer wurde durch die Gerichtsverwaltung mit dem Hinweis beantwortet, dass zu dem Vortrag keine Akten angelegt worden seien. Vier weitere Anfragen, in denen die „Bild“-Journalistin unterschiedliche Nachfragen zu dem Vorgang stellte, wurden von der Gerichtsverwaltung stets mit dem Hinweis „Ich verweise auf unsere bisherige Korrespondenz“ beantwortet. (…)
Daraufhin verklagte Rosenfelder das BVerfG vor dem VG Karlsruhe auf Beantwortung der gestellten Fragen. Zwar bestehen gegen die Entscheidungen des BVerfG, das als ranghöchstes deutsches Gericht nicht an die Entscheidungen anderer Gerichte gebunden ist, keine Rechtsmittel. Sofern es allerdings nicht um eine richterliche Entscheidung geht, sondern das Gericht als Verwaltungsbehörde tätig wird, unterliegt es – wie andere Behörden auch – der „normalen“ Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. So liegt es insbesondere im Fall des Tätigwerdens der Gerichtsverwaltung.
Rosenfelder stützte ihren Antrag auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz.
Dieser gewährt Journalisten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Auskunftsanspruch, der auch gegen Bundesgerichte geltend gemacht werden kann.
Nach Einreichung des Auskunftsantrags bei Gericht bewegte sich das BVerfG auf einmal doch und beantwortete insgesamt sechs der gestellten Fragen. Unter anderem wurde mitgeteilt, dass der in der Gerichtsakte fehlende Dankesbrief des Gerichtspräsidenten Harbarth wegen eines Büroversehens nicht korrekt einsortiert worden sei und sich allein deshalb nicht in der Akte befinde. Ein Protokoll des Vortrags der Verfassungsrichterin Baer sei nicht gefertigt worden, sodass über seinen Inhalt auch keine Auskunft erteilt werden könne. Der Verdacht einer Aktenmanipulation war damit ausgeräumt und das Verfahren endete mit einer beiderseitigen Erledigterklärung.
Der Streit zwischen der Journalistin und Deutschlands höchstem Gericht ging indes weiter: So beantragte das BVerfG, Rosenfelder die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zum einen sei das gerichtliche Vorgehen verfrüht gewesen, da das BVerfG noch gar nicht abschließend über das Auskunftsbegehren entschieden hätte. Zum anderen bestünde ohnehin kein Anspruch der Journalistin auf Beantwortung der Fragen: Da die damals involvierte Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht mehr im Amt sei, fehle es am nötigen gesteigerten öffentlichen Interesse.
Dieses Vorbringen ließen die Verwaltungsrichter jedoch nicht gelten: Die maßgebliche Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Bundesnotbremse liege noch nicht lange zurück, so dass ein entsprechendes Interesse der Öffentlichkeit sehr wohl bestehe. Darüber hinaus habe Rosenfelder nach „Beantwortung“ der Fragen durch Verweis auf die bisherige Korrespondenz nicht damit rechnen müssen, dass noch eine inhaltliche Beantwortung der Fragen ausstehe.
Nur einige der von Rosenfelder gestellten Fragen waren den Verwaltungsrichtern zu unpräzise, so dass in Bezug auf diese kein Auskunftsanspruch bestanden habe und das gerichtliche Vorgehen insoweit nicht gerechtfertigt gewesen sei. Im Ergebnis muss Rosenfelder daher ein Drittel der Kosten tragen, während die anderen zwei Drittel vom BVerfG zu erstatten sind. (…)
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