Die Mini-Marke: Verletzt der detailgetreue Spielzeug-Nachbau die Original-Marke?
Die Miniaturmodelle der Spielzeugindustrie boomen! Das Ganze ist jedoch markenrechtlich nicht ganz unproblematisch. Markeninhaber gehen hier gegen diese Miniaturmarken wegen der Verwendung ihrer Marke auf den Modellen der Spielzeughersteller und damit wegen Rufausbeutung vor. Hierzu nun eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urteil vom 12.01.2023; I ZR 86/22)…
Sachverhalt: Mini-Me?
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Klägerin um ein Logistikunternehmen, die seit 2008/2009 Inhaberin der eingetragenen Wort-Bild-Marken „DACHSER“ und „DACHSER Food Logistics“ ist. Die eingetragenen Marken werden von der Klägerin unter anderem auf Lastkraftwagen und Lagerhallen verwendet.
Die Beklagte ist ein auf Produkte im Bereich des Modellbaus/Modellanlagen spezialisiertes Unternehmen. Sie vertreibt dabei insbesondere Modelle von Landschaften, Gebäuden und Fahrzeugen. Sie vertrieb dabei unter anderem die streitgegenständlichen Lastwagenmodelle mit der Aufschrift „DACHSER Food Logistics“ sowie Lagerhallenmodelle mit der „DACHSER“.
Die Klägerin sah in der Verwendung des Zeichens „DACHSER“ auf den Modellen der Beklagten eine markenrechtliche Verletzung. Daraufhin machte sie gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend. Darüber hinaus führte die Klägerin an, dass das Verhalten der Beklagten wettbewerbswidrig sei.
Die Rechtsstreitigkeit landete nun, nach Durchlauf der Instanzen, vor dem BGH als Revisionsgericht.
Urteil: Spiel, Satz und Sieg für Spielzeughersteller!
Der BGH hat nun mit Urteil vom 12.01.2023 (I ZR 86/22) entschieden, dass der Klägerin weder markenrechtliche noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, da es an einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung der streitgegenständlichen Marke fehle.
Dies gelte sowohl für den Vertrieb der „Modell-LKW“ als auch für den Vertrieb der „Modell-Lagerhallen“ (…)
Unterlassungsanspruch gem. § 14 II 1 Nr.3 MarkenG
Rechtsverletzende Benutzung: Grundsätzlich können einem Markeninhaber markenrechtliche Unterlassungsansprüche gegen einen Dritten zustehen. Um beispielsweise einen Unterlassungsanspruch nach § 14 II 1 Nr. 3 MarkenG bejahen zu können, muss zunächst ein mit der bekannten Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen rechtsverletzend benutzt worden sein. Um von einer rechtsverletzenden Benutzung sprechen zu können, ist es nicht erforderlich, dass bereits die Herkunftsfunktion der geschützten Marke beeinträchtigt worden ist. Vielmehr genügt es, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen können.
Wertschätzung der Original-Marke unlautern ausgenutzt?
Um einen Unterlassungsanspruch i.S.d. § 14 II 1 Nr.3 MarkenG bejahen zu können, muss zudem auch die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt worden sein.
Ausruhen auf Lorbeeren des Markeninhabers?
Ob eine Marke in ihrer Unterscheidungskraft/Wertschätzung unlautern ausgenutzt wurde, beurteilt sich unter anderem nach den relevanten Umständen des Einzelfalls, die bei der Überprüfung näher herangezogen werden müssen. Als relevante Umstände des Einzelfalls gelten dabei insbesondere das Ausmaß der Bekanntheit, der Grad der Unterscheidungskraft, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Produkte und der Grad ihrer Nähe.
Es gilt: Eine Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung ist umso eher anzunehmen, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind.
Daraus folgt, dass die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens
die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise beeinträchtigt oder ausnutzt, umso größer ist, je unmittelbarer und stärker die Marke durch das Zeichen in Erinnerung gerufen wird.
Versucht beispielsweise ein Dritter, die Anziehungskraft, den Ruf oder das Ansehen einer Marke auszunutzen, indem er ein mit einer bekannten Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen benutzt, so kann der sich daraus ergebende Vorteil der „Sogwirkung“ als unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke angesehen werden. (…)
Unerhört: Ausnutzung der Markenwertschätzung in unlauterer Weise?
Doch, wann kann von einer Ausnutzung der Markenwertschätzung in unlauterer Weise gesprochen werden?
Die Ausnutzung des Rufs einer bekannten Marke ist unlautern, wenn über die bloße wirklichkeitsgetreue Abbildung hinaus in anderer Weise versucht wird, den Ruf dieser Marke gewerblich zu nutzen.
Um es am Beispielsfall „Modellfahrzeug“ näher zu erläutern:
Es liegt keine unlautere Rufausnutzung vor, wenn beim Vertrieb von Spielzeugen allein der eigene Name des Spielzeugherstellers verwendet wird und sich ein Zusammenhang mit dem Hersteller der Original-Marke lediglich zwangsläufig, nämlich aus der verkleinerten Nachbildung des Original-Produkts, ergibt.
Keine unlautere Ausnutzung im Falle von „Modell-Fahrzeugen“, da …
Jahrzehntelange Tradition
Der interessierte Verbraucher kann grundsätzlich erkennen, dass es sich bei Modellfahrzeugen nur um Nachbildungen handelt und die verwendete Marke lediglich ein Detail aus der Realität darstellt, das im Modell nachgebildet wurde. Da detailgetreue Nachbildungen im Modell- und Spielwarenbereich bereits seit Jahrzehnten üblich sind, weiß der angesprochene Verkehr auch, dass fremde Marken auf Modellen keinen Hinweis auf die Herkunft oder Beschaffenheit oder auf eine bestehende vertragliche Beziehung zwischen dem Modellbauer und dem Markeninhaber darstellen. Vielmehr gehe der Verbraucher davon aus, dass es sich lediglich um die Übernahme der in der Realität vorhandenen Originalgestaltung handele. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Spielzeughersteller von dem guten Ruf der übernommenen Marke profitieren und damit die Attraktivität seiner Modelle steigern könne. Schließlich sei die Benutzung der Marke zwangsläufig mit der Nachbildung von in der Wirklichkeit existierenden Gegenständen verbunden.
Berechtigtes Interesse des Spielzeugherstellers
Darüber hinaus wird angenommen, dass der Spielzeughersteller ein berechtigtes Interesse an dem Nachbau eines in der Realität vorkommenden Fahrzeugs hat. Dieses Interesse erstreckt sich dabei auch auf die Benutzung des Kennzeichens des Herstellers des jeweiligen Fahrzeugs sowie auf die Anbringung von Kennzeichen, die Unternehmer auf solchen Fahrzeugen zum Zwecke der Werbung für seine Dienstleistungen verwendet.
Das berechtigte Interesse des Spielzeugherstellers kann aus der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau als auch mit den Verbraucherwartungen begründet werden.
Aufgrund dessen hat der Inhaber der für Kraftfahrzeuge geschützten bekannten Marke, das mit der wirklichkeitsgetreuen Nachbildung notwendige verbundene Maß an Verwechslungsgefahr hinzunehmen. (…)
Fazit: Gleiches Recht für alle!
Der Markt für Miniaturmodelle weist einige Besonderheiten auf, die sowohl vom Markeninhaber als auch vom Spielzeughersteller zu beachten sind. Zwar kann eine Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Wertschätzung der Marke bereits dann angenommen werden, wenn das Modellspielzeug mit der bekannten Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
In der Regel fehlt es jedoch an der Unlauterkeit der Benutzung, da der Spielzeughersteller aufgrund der Verbrauchererwartung und der Marktüblichkeit ein berechtigtes Interesse an der Nachbildung eines in der Realität vorkommenden Fahrzeugs hat. Eine Rufausbeutung „in unlauterer Weise“ kann daher nur dann angenommen werden, wenn der Spielzeughersteller durch die bloße naturgetreue Nachbildung versucht, den Ruf der bekannten Marke kommerziell auszunutzen. Es reicht nicht aus, wenn sich eine Verbindung zwischen der Marke und der Modellnachbildung nur beiläufig aus der verkleinerten Nachbildung des Originals ergibt. (…)
Durch das Urteil wurde dem Miniatur-Modell-Markt ein erweiterter Schutz gegenüber dem Markeninhaber gewährt, der das mit der wirklichkeitsgetreuen Nachbildung notwendige verbundene Maß an Verwechslungsgefahr hinzunehmen hat.
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