EuGH-Urteil: YouTube haftet für Urheberrechtsverletzungen nicht unmittelbar
Muss YouTube Verantwortung dafür übernehmen und selbst haften, wenn Nutzer unberechtigt Inhalte auf der Plattform hochladen? Über diese spannende Frage hat nun der EuGH geurteilt. Der EuGH bestätigte die geltende Rechtslage. Die nahende Urheberrechtsreform wurde nicht berücksichtigt.
Betreiber von Online-Plattformen wie YouTube müssen bei einem Verstoß ihrer Nutzer gegen das Urheberrecht nicht unmittelbar dafür haften. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Betreiber einer Video-Sharing-Plattform wie YouTube oder Sharehosting-Plattform wie Uploaded.net, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, keine „öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte erfolge. Anderes gelte nur dann, wenn die Unternehmen über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beitrügen, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen (EuGH, Verbundene Rechtssachen C-682/18 und C-683/18).
Worum geht es in dem Rechtsstreit?
In dem Rechtsstreit, der der ersten Rechtssache (C-682/18) zugrunde liegt, geht Frank Peterson, ein Musikproduzent, vor deutschen Gerichten gegen YouTube und deren gesetzliche Vertreterin Google vor, weil im Jahr 2008 mehrere Tonträger auf YouTube hochgeladen wurden, an denen er nach seinem Vorbringen verschiedene Rechte innehat. Dieses Hochladen erfolgte ohne seine Erlaubnis durch Nutzer dieser Plattform. Es handelt sich um Titel aus dem Album „A Winter Symphony“ der Künstlerin Sarah Brightman sowie um private Tonmitschnitte, die bei Konzerten ihrer Tournee „Symphony Tour“ angefertigt wurden.
In dem Rechtsstreit, der der zweiten Rechtssache (C-683/18) zugrunde liegt, geht der Verlag Elsevier vor deutschen Gerichten gegen Cyando vor, weil im Jahr 2013 verschiedene Werke, an denen Elsevier die ausschließlichen Rechte innehat, auf die von Cyando betriebene Sharehosting-Plattform „Uploaded“ hochgeladen wurden. Dieses Hochladen erfolgte ohne die Erlaubnis von Elsevier durch Nutzer dieser Plattform. Es handelt sich um die Werke „Gray’s Anatomy for Students“, „Atlas of Human Anatomy“ und „Campbell-Walsh Urology“, die über die Linksammlungen rehabgate.com, avaxhome.ws und bookarchive.ws auf „Uploaded“ abgerufen werden konnten.
Der Bundesgerichtshof, der mit diesen beiden Rechtsstreitigkeiten befasst ist, hatte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, um u. a. klären zu lassen, inwieweit die Betreiber von Internetplattformen haften, wenn urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern unbefugt auf diese Plattformen hochgeladen werden.
Der Fall hat es in sich: Die Kläger wollen nämlich nicht, wie es bislang gehandhabt wird, erreichen, dass YouTube sich auf eine Haftungsprivilegierung berufen und daher erst ab Kenntnis einer Urheberrechtsverletzung und auch nur auf Unterlassung haften kann.
Mit seinem Urteil vom 22. Juni 2021 hat der EuGH die Vorlagefragen des BGH beantwortet und somit die Bedingungen für die Frage der Haftung der Plattformbetreiber geschaffen.
Zu beachten ist, dass sich diese Rechtsprechung „lediglich“ auf den gegenwärtigen Stand des Unionsrechts bezieht. Die umstrittene Urheberrechtsreform fand noch keine Anwendung. Die neuen Regelungen verpflichten Betreiber von Upload-Plattformen wie YouTube künftig unter anderem dazu, für die von den Nutzern hochgeladenen Werke die Zustimmung für die öffentliche Wiedergabe von deren Rechteinhabern einzuholen. Dies kann zum Beispiel über den Abschluss von Lizenzverträgen erfolgen. Konnte eine Upload-Plattform keine Lizenz erwerben und ist auch keine erlaubte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes feststellbar, müssen die entsprechenden Inhalte künftig gesperrt werden. Hier sollen die Uploadfilter zum Einsatz kommen. (…)
Was dieses Urteil für die beiden Ausgangsfälle bedeutet, müssen nun wiederum die deutschen Gerichte klären. Der EuGH hat ihnen nur dazu die Rahmenbedingungen vorgegeben.
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