Fairnessparagraph im Urheberrecht: Keinohrhasen-Autorin erstreitet Teilerfolg gegen Til Schweiger
Die Drehbuchautorin Anika Decker ist gegen Til Schweigers Produktionsunternehmen vorgegangen, um eine höhere Beteiligung an den Kino-Hits „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ zu erstreiten. Das LG Berlin hat nun im zweiten Teil der Stufenklage entschieden und dabei unter anderem die Auskunftsrechte von Urhebern gefestigt. Ein „wegweisendes“ Urteil laut dem Deutschen Drehbuchverband.
Fünf Jahre streitet sich nun die Drehbuchautorin der Überraschungserfolge „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ vor dem Landgericht Berlin mit Til Schweigers Produktionsfirma Barefoot Films und dem Warner Bros Medienkonzern. Es geht um die Erhöhung ihrer Vergütung auf Grundlage des sog. „Fairnessparagraphen“ gemäß § 32a Urheberrechtsgesetz. Nun ist auch die zweite Stufe ihrer Stufenklage erfolgreich, allerdings mit einem geringeren Anspruch als gehofft (LG Berlin, Urt. v. 27.09.2023, Az. 15 O 296/18).
Der „Fairnessparagraph“
Dreh- und Angelpunkt des Streits ist der „Fairnessparagraph“ § 32a des UrhG. Nach dieser Vorschrift können Urheber mehr Geld verlangen, wenn der Nutzen für ihre Lizenznehmer in einem „auffälligen Missverhältnis“ zu der vereinbarten Vergütung steht. Für die Feststellung eines solchen Missverhältnisses klagte Anika Decker vor drei Jahren zunächst auf Auskunft über den finanziellen Erfolg der beiden Filme. Das LG gab bereits auf dieser Stufe statt und entschied, dass Til Schweigers Produktionsfirma und Warner Bros über die finanzielle Verwertung der Filme Auskunft abzugeben und Rechnung zu legen hatten (Urt. v. 27.10.2020, Az. 15 O 269/18).
Bereits hier zeichnete sich allerdings ein Problem ab: Da Decker erst Jahre nach dem tatsächlichen Kino-Erfolg der Filme klagte, war bereits unstrittig, dass ihre Ansprüche für einen Großteil des Zeitraums verjährt waren. Die Beklagten beriefen sich zwar schon in dieser ersten Stufe auf die Verjährung, allerdings entschied das LG Berlin, dass diese dem Anspruch aus Auskunft in diesem Stadium nicht entgegenstand. Anhaltspunkte für ein „Missverhältnis“ wurden also unabhängig davon gesehen und der Auskunftsanspruch begründet.
Zweite Stufe: Die Höhe der Beteiligung
Mit den Informationen aus der ersten Stufe konnte das Gericht nun über die tatsächliche Höhe der Vergütung aus § 32a UrhG entscheiden. Es führte aus, dass der Anspruch dem Grunde nach gegeben sei, aufgrund der Verjährung allerdings alle Erlöse vor 2015 für die Berechnung unberücksichtigt blieben. Das LG verwies auf die reguläre Verjährungsfrist von drei Jahren; mit der ersten Klageerhebung im Jahre 2018 ließe sich die Verjährung des Anspruchs also nur rückwirkend bis zum Jahre 2015 hemmen.
Die Zivilkammer hielt Decker vor, nicht bereits früher – etwa anlässlich des großen Kinoerfolges – Klage erhoben zu haben. Sie habe davon ausgehen müssen, dass auch die nachfolgende Verwertung durch DVD, Pay-TV und Video on Demand überdurchschnittlich ertragreich ausfallen würde. Für den Zeitraum der Hauptvermarktungsphase bestehe der Anspruch somit also nicht mehr.
Damit reduziere sich der Anspruch von Frau Decker von den geforderten über 2 000 000 Euro auf nunmehr 180 000 Euro für den Zeitraum bis 2021. Darüber hinausgehend werde sie rückwirkend ab 2021 an etwa 7 % des Nettoerlöses beteiligt.
Die Bedeutung für Kunstschaffende
Wegweisend war diese Entscheidung für Urheber allemal, da sie zeigt, dass der urheberrechtliche „Fairnessparagraph“ alles andere als zahnlos ist. In der Tat stattet er Schaffende rechtssicher mit starken Rechten aus – selbst bei verworrenen Vertragskonstrukten. Anika Decker zeigt sich nun im Grundsatz zufrieden, erwägt nun allerdings dennoch, ob gegen das Urteil Rechtsmittel eingesetzt werden sollen.
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