Heißes Thema: BGH-Anforderungen an Werbung mit Klimaneutralität
Werbung mit der CO2- oder Klimaneutralität von Unternehmen oder ihren Produkten ist in den letzten Jahren regelmäßig vor Gericht gelandet. Nun hat der BGH in einer Entscheidung vergleichsweise strenge Anforderungen an die Werbung aufgestellt. (…)
Werbung mit Klimaneutralität von Unternehmen und Produkten
Die Klimaneutralität von Produkten und sonstigen Leistungen eines Unternehmens ist nicht nur als Werbeclaim beliebt, sondern wird mittlerweile auch von vielen Kunden eingefordert. Wegen der Emotionalität der Klima-Thematik eignet sie sich schließlich besonders gut für die Werbung.
Die CO2-Neutralität von Unternehmen erhitzt aber nicht nur die Gemüter, sondern ist in den letzten Jahren auch häufig Gegenstand von Rechtsprechung gewesen. Grund hierfür ist, dass vor allem Verbraucherschutzverbände Werbung mit dem Begriff der Klima- beziehungsweise CO2-Neutralität kritisch beäugen und gegen aus ihrer Sicht falsche oder zumindest missverständliche, und deshalb unzulässige Werbung vorgehen.
In den Gerichtsverfahren spielen vor allem zwei Punkte eine Rolle: Zum einen geht es dabei häufig um die Unterscheidung zwischen der vermeintlichen Klimaneutralität von Produkten einerseits und ganzen Unternehmen oder sonstigen Organisationen andererseits.
Zudem wird darüber gestritten, inwiefern eine Klimaneutralität durch bloße CO2-Kompensation (z. B. durch das Pflanzen von Bäumen an bestimmten Orten) denselben Wert hat wie eine CO2-Vermeidung beziehungsweise -Reduktion bereits bei der Produktentwicklung (z. B. Herstellungsverfahren ohne CO2-Ausstoß).
UWG-Vorgaben für Werbung mit Klimaneutralität
Die wesentlichen Vorgaben für die Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff CO2- oder Klimaneutralität ergeben sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
Danach handelt unlauter, wer eine irreführende, geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. (…)
Neuste BGH-Rechtsprechung zur Werbung mit Klimaneutralität
In dem Fall des BGH (Urteil vom 27. Juni 2024 – Az. I ZR 98/23) geht es um einen Hersteller von Fruchtgummi und Lakritz-Produkten, bei deren Herstellung Kohlenstoffdioxid entsteht. In einer Werbeanzeige wirbt dieser Hersteller unter anderen mit der Aussage: „Seit 2021 produziert [der Hersteller] alle Produkte klimaneutral.“
Daneben enthält die Anzeige auch ein Label mit den Wörtern „klimaneutral“ und „Produkt“ sowie den Verweis auf eine Website. Diese kann entweder durch Eingabe einer angegebenen Internetadresse oder durch Scannen eines abgedruckten QR-Codes aufgesucht werden und hält weitere Informationen zur behaupteten Klimaneutralität bereit.
Gegen diese Werbung geht die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. vor: Aus ihrer Sicht ist die Verwendung der Angaben „klimaneutral“ in der Anzeige unter den Gesichtspunkten der Irreführung und des Vorhaltens von für die geschäftliche Entscheidung wesentlichen Informationen unlauter.
Die Adressaten der Werbung würden annehmen, bereits die Herstellung der beworbenen Produkte erfolge emissionsfrei, während die in der Werbung behauptete Klimaneutralität bloß durch Kompensationszahlungen erreicht würde.
In jedem Fall müsste aus ihrer Sicht der Umstand, wie die Klimaneutralität erreicht werde, direkt in der Werbeanzeige selbst angegeben werden. Eine Information auf einer bloß verlinkten Internetseite würde nicht ausreichen.
Strenge Anforderungen an klimabezogene Werbung
Im Ergebnis folgt der BGH im Wesentlichen der Sichtweise der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. und stellt insgesamt vergleichsweise strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von CO2-bezogener Werbung bzw. Werbeaussagen mit dem Begriff der Klimaneutralität.
Das Gericht zieht einen Vergleich zur ebenso streng regulierten gesundheitsbezogenen Werbung und verweist auf die in der BGH-Rechtsprechung traditionell schon immer eher strengen Anforderungen an klimabezogene Werbung.
Klimaneutralität: CO2-Vermeidung oder CO2-Kompensation
Das Gericht betont vor allem, dass mit Klimaneutralität nicht immer dasselbe gemeint ist.
Demnach könne Klimaneutralität entweder Vermeidung von CO2-Emissionen oder die Erbringung von CO2-Kompensation bedeuten. So sei nach der Lebenserfahrung möglich, dass die Beauftragung eines Partnerunternehmens zum Zwecke des Klimaschutzes – zumindest auch – den Einbau von Filteranlagen in der Produktion, die Unterstützung bei der Etablierung klimafreundlicher Herstellungsverfahren, die Belieferung klimafreundlicher Ausgangsstoffe oder eine Kombination dieser Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen bereits beim Produktionsprozess umfassen kann.
Die Unterscheidung von Vermeidung und Kompensation auch in der Werbung sei aber essenziell, weil aus Sicht des Gerichts die Reduktion, also die Vermeidung von CO2-Emissionen, insgesamt werthaltiger sei als die Kompensation von CO2-Emissionen. Daher gelte ein Grundsatz des Vorrangs der Reduktion gegenüber der Kompensation von Kohlenstoffdioxid. Wenn bloß eine CO2-Kompensation vorliege, dürfe nicht der Eindruck von CO2-Vermeidung beziehungsweise -Reduktion erweckt werden. (…)
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