Keine Irreführung von Verbrauchern: „Kinderzahnarzt“ ist zulässige Werbung
(…) Ein Zahnarzt kann sich „Kinderzahnarzt“ nennen, ohne damit die Verbraucher irrezuführen. Dies entschied nun der Bundesgerichtshof und stellte klar, dass man bei einer Kinderzahnarztpraxis nur davon ausgehe, dass sie kindgerecht ausgestattet ist und die Behandler auf die kleinen Patienten in besonderer Weise eingehen. Besondere Fachkenntnisse im Bereich der Kinderzahnheilkunde oder Kinderpsychologie erwarte der Werbeadressat hingegen nicht (Urt. v. 07.04.2022, Az. I ZR 217/20).
Werbung mit „Kinderzahnarztpraxis“
Eine Gemeinschaftszahnarztpraxis bewarb sich in ihrem Internetauftritt als „Kinderzahnarztpraxis“ und versprach dem Kind und seinen Eltern unter anderem „Abenteuer im Wartezimmer“ und die Bereitschaft, auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes bei der Behandlung einzugehen. Die zuständige Zahnärztekammer mahnte die Praxis aufgrund dieser Werbung wegen Irreführung des Verbrauchers ab.
Das Landgericht Düsseldorf gab der Klage zunächst statt (Urt. v. 28.06.2019, Az. 38 O 189/18), das Oberlandesgericht wies sie hingegen ab (Urt. v. 12.11.2020, Az. I-20 U 87/19). Nun schloss sich der BGH der Ansicht des OLG an und erklärte ebenfalls, die Werbung sei zulässig.
OLG: Keine Irreführung gegeben
Das OLG hatte entschieden, die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ auf der Internetseite der Beklagten sei nicht irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Angabe so, dass in der Praxis zahnärztliche Leistungen angeboten würden, wie sie in jeder Zahnarztpraxis zu finden seien, aber die Praxis darüber hinaus eine besondere Bereitschaft mitbringe, Kinder mit ihren besonderen emotionalen Bedürfnissen zu behandeln. Darüber hinaus hätten sie die Erwartung, dass die Praxiseinrichtung kindgerecht sei. Sie hätten aber nicht die Vorstellung, dass die Behandler über besondere fachliche Kenntnisse der Zahnheilkunde verfügten.
Die Werbung wäre zudem selbst dann nicht irreführend, wenn eine auf besondere fachliche Kenntnisse gerichtete Verbrauchererwartung bestünde, so das Gericht, weil die Praxis substantiiert dargelegt habe, dass sie in einem Maße in der Kinderzahnheilkunde tätig sei, dass ihre fachliche Qualifikation auch einer so verstandenen Erwartung genüge.
BGH: Kindgerechte Ausstattung erwartet
Dem stimmte der BGH nun zu: Der Durchschnittsverbraucher verstehe unter einer Kinderzahnarztpraxis, dass die Zahnärzte die Praxis kindgerecht ausstatten und dass sie bereit sind, auf ihre kleinen Patienten in besonderer Weise eingehen. Besondere Fachkenntnisse im Bereich der Kinderzahnheilkunde oder Kinderpsychologie erwarte der Werbeadressat nicht. Die Eltern kennen nach Ansicht der Richter den Begriff des Fachzahnarztes und die Voraussetzungen zum Erwerb dieses Titels ohnehin nicht. Eine Irreführung im Sinne der §§ 3, 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) liege daher nicht vor. (…)
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