Künstler-Skizzen aus Mülltonne fischen gilt als Diebstahl
Der weltweit berühmte Künstler Gerhard Richter hielt seine Bilder offenbar für nicht sonderlich gelungen und entsorgte sie deshalb im Müllcontainer seines Hauses. Ein 49-jähriger Mann hatte die vier Skizzen des Malers jedoch aus dessen Müll gefischt, um sie anschließend einem Münchener Auktionshaus anzubieten. Die Werke des Künstlers gelten als die teuersten der Welt – dementsprechend wären die Skizzen wohl etwa 60 000 Euro wert gewesen. Allerdings verlangten die Angestellten des Versteigerungshauses ein Echtheitszertifikat vom Gerhard Richter Archiv in Dresden. Der Leiter des Archivs erkannte zwar, dass es sich bei den Bildern um Originale handelte, jedoch wurde er misstrauisch, als er feststellte, dass die Bilder unter anderem keine Signatur des Künstlers aufwiesen. Nachdem sich der Mann in Widersprüche verstrickte, flog die Sache auf.
Für seine Tat hat das AG Köln in seinem Urteil vom 24.04.2019 den Mann nun wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe in Höhe von 3150 Euro verurteilt.
Können entsorgte Skizzen überhaupt gestohlen werden?
Die Richter am AG mussten sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzen, ob es sich bei der Tat des Angeklagten um einen Diebstahl nach § 242 Strafgesetzbuch (StGB) handelte. Dafür ist erforderlich, dass der Täter eine fremde bewegliche Sache wegnimmt. Das war im vorliegenden Verfahren allerdings nicht unstrittig, denn schließlich hat Richter die Skizzen in der Mülltonne entsorgt. Man könnte also annehmen, dass die Bilder dadurch herrenlos und somit nicht mehr „fremd“ im Sinne des § 242 StGB waren.
Das Gericht sah das jedoch anders. Laut Urteil war der Künstler nach wie vor Eigentümer der Bilder. Er hatte beabsichtigt, das Eigentum an den Skizzen durch Übereignung an das Entsorgungsunternehmen zu übertragen und sie deshalb in den Müll geworfen. Bis zur Abholung des Mülls sei Richter jedoch weiterhin Eigentümer der Werke gewesen.
Auch habe er durch die Entsorgung in die Mülltonne nicht den „Gewahrsam“ an den Bildern abgeben wollen. Denn schließlich habe der Künstler gerade nicht gewollt, dass der Inhalt der Mülltonne durch irgendwen entnommen wird, sondern, dass er durch die Müllabfuhr entsorgt wird. Insbesondere habe er nicht gewollt, dass seine aussortierten Werke durch andere wirtschaftlich verwertet werden.
Letztlich ist wohl im Einzelfall entscheidend, ob man davon ausgehen kann, dass der (ehemalige) Eigentümer einen Willen zur Dereliktion hat. Das ist nicht der Fall, wenn der Entsorger eine persönliche Beziehung zu den weggeworfenen Gegenstände hat, wie zum Beispiel zu einer EC-Karte. Im Richter-Fall hatte der Künstler tatsächlich ein erhebliches Interesse daran, dass die Bilder vernichtet werden.
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