LG Berlin: Lagergebühren als Zusatzkosten im Online-Shop unzulässig
In diversen Online-Shops wird versucht, eigenen Mehraufwand bei der Abwicklung bestimmter Bestellungen durch Aufschläge (etwa einen Mindermengenzuschlag) zu kompensieren. Das Vorhaben, Selbstkosten durch artikelabhängige Lagergebühren neben dem Gesamtpreis auszugleichen, scheiterte wegen Unzulässigkeit jüngst allerdings vor dem LG Berlin. (…)
I. Der Sachverhalt
Die Beklagte bot die Lieferung von Lebensmitteln im Internet an. Auf der Bestellseite der Beklagten wurde bei einigen Produkten, namentlich bei Tabakwaren, zunächst das Produkt zu einem konkreten Preis beworben.
Nach der Auswahl des Produktes und vor Abschluss des Bezahlvorgangs erschien jedoch ein Dialogfenster mit folgendem Hinweis: „Dieser Artikel hat eine Lagergebühr von 1,99 EUR pro Bestellung. Mehr Infos hier.“
Klickte der Kunde die entsprechende Schaltfläche an, wurde die folgende ergänzende Information ausgegeben: „Bei bestimmten Artikeln kommt es zu einer Gebühr von 1,99 EUR pro Bestellung. Damit wird die benötigte Infrastruktur abgedeckt, um diese Artikel sicher zu lagern. Die Höhe der zusätzlichen Lagergebühr wird pro Lieferung nur einmal in Rechnung gestellt und ist unabhängig von der Zahl der erworbenen Produkte.“
Die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. sah in der Verpflichtung zur Begleichung der Lagergebühr eine unzulässige AGB-Klausel, deren Verwendung einen Wettbewerbsverstoß begründe. Nach erfolgloser Abmahnung erhob sie deshalb Klage auf Unterlassung zum LG Berlin II.
II. Die Entscheidung
Das LG Berlin II gab mit Urteil vom 19.6.2024 (Az: 52 O 157/23) der Klage statt und verurteilte den Online-Anbieter antragsgemäß zur Unterlassung. Die beanstandete Inrechnungstellung einer Lagergebühr für Warenbestellungen sei Ausprägung einer unzulässigen Allgemeinen Geschäftsbedingung unter Verstoß gegen § 307 BGB. Dieser Verstoß begründe nach § 3a UWG ein wettbewerbswidriges Verhalten.
1.) Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB
Bei der Preisvorgabe der Lagergebühr handle es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Gemäß § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stelle und die nicht im Einzelnen ausgehandelt würden. Diese Merkmale erfülle die Lagergebühr-Berechnung der Beklagten zweifelsfrei.
2.) Eröffnung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
Auch unterfalle die Klausel der Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 307 BGB.
Ein Ausschluss von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB liege nicht vor. Danach seien nur solche Bestimmungen ausgenommen, durch welche keine von Rechtsvorschriften abweichenden oder diese ergänzenden Regelungen getroffen würden. Namentlich zählten dazu solche Klauseln, die lediglich eine Leistungsbeschreibung enthielten, d. h. den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegten.
Dies gelte namentlich zwar auch für den im Vertrag festgelegten Preis. Jedoch zählten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den kontrollfreien Preisvereinbarungen nur solche Klauseln, die den zu zahlenden Preis unmittelbar bestimmten. Dabei komme es nicht darauf an, ob es sich um den Preis für die Hauptleistung oder eine rechtlich nicht geregelte zusätzliche Sonderleistung handele.
Jene Preisnebenabreden, die keine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand hätten, sondern mit denen Kosten für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt werden sollten, die der Klauselverwender im eigenen Interesse erbringe, unterlägen sehr wohl der Inhaltskontrolle.
Die Einordnung einer Klausel nach diesen Grundsätzen als kontrollfähige Preisnebenabrede oder als kontrollfreie Preishauptabrede sei – dem Bundesgerichtshof folgend – durch Auslegung zu ermitteln. Nach den eben geschilderten Maßstäben handle es sich bei der streitgegenständlichen Preisvorgabe der Beklagten um eine der Inhaltskontrolle unterliegenden Preisnebenabrede.
Die Beklagte stelle nach eigenen Angaben mit der Lagergebühr nicht etwa ein Entgelt für die Lagerung einer konkreten erworbenen Ware in Rechnung. Dies sei auch ausgeschlossen, da die Gebühr unabhängig von der Zahl der beispielsweise bestellten Tabakprodukte anfalle.
Anders als die Lieferkosten ließe sich diese Gebühr keiner konkreten Gegenleistung zuordnen. Vielmehr lege die Beklagte mit der sogenannten Lagergebühr die Kosten um, die ihr möglicherweise für die Lagerung der Gesamtheit der von ihr angebotenen Waren entstehe. Es fehle daher am Bezug zu der vom jeweiligen Kunden bestellten Ware.
3.) Unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers gemäß § 307 Abs. 1 BGB
Die streitgegenständliche Klausel halte nicht der danach eröffneten Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB stand.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Solch eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht vereinbar sei. Eben dies sei bei der streitgegenständlichen Inrechnungstellung der Lagerkosten der Fall.
Es gehöre zu den wesentlichen Grundlagen des dispositiven Gesetzesrechts, dass jeder Rechtsunterworfene für Tätigkeiten, zu denen er gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet sei oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringe, kein gesondertes Entgelt verlangen könne.
Die Lagerung von Waren, die kurzfristig geliefert werden sollten, diene hauptsächlich dem Interesse der Beklagten als Leistungserbringerin. Eben dies habe sie sich zur Geschäftsaufgabe gemacht.
III. Fazit
Online-Händler dürfen keine Lagergebühren für bestimmte Artikel als sonstige Kosten außerhalb des Gesamtpreises erheben, weil die Lagerung überwiegend dem Eigeninteresse an der zeitigen Lieferung dient. Preisvorgaben zur Entrichtung einer bestellbezogenen Lagergebühr verstoßen gegen das AGB-Recht und sind unzulässig.
Wer Lagergebühren artikelbezogen in zulässiger Weise auf den Käufer abwälzen will, muss diese als Preisbestandteil in den Gesamtpreis einrechnen.
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