LG Essen: Biozid-Warnhinweis ist Werbung in unmittelbarer räumlicher Nähe beizustellen
In Zeiten der Covid-19-Pandemie sind Handdesinfektionsprodukte sehr gefragt. Da es sich bei Hygienehandgel um ein Biozid-Produkt handelt, müssen nach gesetzlicher Anordnung bei Bewerbung und Verkauf dieser Produkte besondere Hinweispflichten erfüllt werden. Das LG Essen hat in seinem Urteil vom 28.04.2021 (Az.: 44 O 42/20) entschieden, dass der Produktwerbung für Biozidprodukte der gesetzlich vorgegebene Warnhinweis in unmittelbarer räumlicher Nähe beizustellen ist. (…)
Die Beklagte bewarb in ihrem Prospekt ein Hygienehandgel, das – zwischen den Parteien unstreitig – als Biozidprodukt einzustufen ist. Die Ware wurde auf Seite 1 des Katalogs unter Angabe des Preises, des Grundpreises und der Füllmenge beworben. Die entsprechenden Biozid-Warnhinweise waren nicht auf der ersten Seite enthalten. Die Beklagte verwies dafür auf eine weitere Seite im Prospekt. Die Biozid-Hinweise erfolgten dann auf Seite 11.
Nach erfolgloser Abmahnung wegen Verstoßes gegen die Warnhinweispflicht für Biozidprodukte aus
Art. 72 BiozidVO (VO (EU) Nr. 528/2012) nahm ein Mitbewerber die werbende Beklagte vor dem LG Essen auf Unterlassung in Anspruch.
Mit Urteil vom 28.04.2021 (Az.: 44 O 42/20) stufte das Gericht den Biozid-Hinweis auf Seite 11 der Beklagten als nicht ausreichend ein. Der Hinweis der Beklagten entspreche nicht den Anforderungen nach Art. 72 BiozidVO. (…) Nach gesetzgeberischer Zielsetzung solle der Biozid-Warnhinweis potenzielle Interessenten für den Umgang mit dem beworbenen Produkt sensibilisieren und sie zu einer besonderen Sorgfalt bei Gebrauch anhalten. Diese Warnfunktion werde aber nur erfüllt, wenn der Pflichthinweis auch mit entsprechender räumliche Nähe zum beworbenen Produkt dargestellt würde.
Die Trennung von einer Produktpräsentation mit allen wesentlichen Produktangaben einerseits und dem Biozid-Warnhinweis auf einer ausgelagerten Seite andererseits laufe dem Sinn der Warnhinweispflicht zuwider. Daran ändere auch ein – vorliegend angebrachter – Verweis nichts. Könne ein Verbraucher aufgrund einer umfänglichen Produktpräsentation seine geschäftliche Entscheidung ohne die Hinzuziehung weiterer Informationen selbstständig treffen, sei die Kenntnisnahme eines zwar per Verweis referenzierten, aber externen Hinweises nicht hinreichend wahrscheinlich.
Fazit
Laut dem LG Essen (Urteil vom 28.04.2021 – Az.: 44 O 42/20) ist in der Werbung für Biozid-Produkte der verpflichtende Warnhinweis nach
Art. 72 der BiozidVO zwingend in unmittelbar räumlicher Nähe zur Produktpräsentation darzustellen.
Die Trennung von Werbebotschaft und Warnhinweis sei – selbst bei entsprechendem Verweis – unzureichend, weil damit eine Kenntnisnahme des Hinweises durch den angesprochenen Verkehr nicht mehr hinreichend gewährleistet und die Warnfunktion ausgehebelt werde.
Für Online-Händler bedeutet dies, dass der Biozid-Warnhinweis direkt auf dem jeweiligen Träger des Werbematerials und mithin in der Werbebotschaft selbst angezeigt werden muss. (…)
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