LG München I: Kein absolutes Kopplungsverbot bei Online-Shop-Registrierung und Newsletter-Anmeldung

Im Online-Handel sorgt die Kopplung von Vertragsschluss und Newsletter-Anmeldung oft für Unsicherheit beim Datenschutz. Laut dem gesetzlichen Kopplungsverbot gilt eine Zustimmung als unfreiwillig, wenn eine Leistung (bzw. Vertragsschluss) an die Erteilung einer Einwilligung gekoppelt wird, welche für den eigentlichen Verarbeitungszweck nicht erforderlich ist. Welche praktische Bedeutung hat das Kopplungsverbot und wie bewerten Gerichte dieses Verbot? Ein neues Urteil des LG München gibt Aufschluss. Mehr dazu im folgenden Beitrag.

Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde?
Beklagte im Verfahren vor dem LG München I war eine Online-Shop-Betreiberin für preisreduzierte Markenartikel. Kläger war der gemäß § 4 UKlaG qualifizierte Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände.

Die von der Beklagten obligatorisch vorgesehene Registrierung für neue Nutzerinnen und Nutzer ihres Online-Shops war so konzipiert, dass eine erfolgreiche Registrierung für den Online-Shop nur dann möglich war, wenn während der Registrierung gleichzeitig dem Erhalt des Newsletters zugestimmt wurde.

Die auf den Registrierungsvorgang folgende E-Mail hatte wörtlich folgenden Inhalt:

„Wir freuen uns über deine Anmeldung. Ein letzter Schritt fehlt noch. Bitte bestätige Deine Anmeldung und Deine Einwilligung in den Erhalt des Newsletters durch Klick auf: [Button] Bestätigen. Ein Widerruf dieser Einwilligung ist jederzeit […] möglich.“

Der vzbv mahnte die Beklagte auf Unterlassung ab. Er beanstandete die mangelnde Freiwilligkeit der erteilten datenschutzrechtlichen Einwilligung, da den Betroffenen keine echte Wahlmöglichkeit gegen den Nicht-Empfang des Newsletters eingeräumt werde und die Erforderlichkeit der Kopplung angesichts des Geschäftsmodells der Beklagten nicht gegeben sei.

Die Beklagte rechtfertigte diese Koppelung damit, dass nach ihrem Geschäftskonzept ein schneller Waren­umschlag ohne Lagerkosten erforderlich sei, damit die registrierten Mitglieder von den angebotenen günstigen Preisen profitieren könnten. Dieser schnelle Waren­umschlag werde gerade durch die Bindung der Mitglieder an den Newsletter-Versand erreicht.

Wie hat das LG München I entschieden?
Das Landgericht München I wies die Klage mit Urteil vom 19. Januar 2024 (Az.: 37 O 4402/23) ab. In seiner Begründung folgte das Gericht im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten.

Nach Auffassung des Gerichts wurde die datenschutzrechtliche Einwilligung nicht – wie vom vzbv behauptet – durch die E-Mail nach der Registrierung erteilt, sondern bereits im Rahmen des vorangegangenen Registrierungsvorgangs auf der Internetseite der Beklagten eingeholt.

Die E-Mail diene nicht der Einwilligung, sondern vielmehr der Überprüfung der E-Mail-Adresse im Rahmen des Double-­Opt-In-Verfahrens. Im Übrigen genüge die Einwilligung den Anforderungen des Art. 7 DSGVO. Sie werde freiwillig erteilt und verstoße nicht gegen das Koppelungsverbot des Art. 7 ­Abs. 4 ­DSGVO. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass für die Beurteilung der Freiwilligkeit eine Gesamtbetrachtung des Geschäfts- bzw. Vertragsmodells erforderlich sei.

Das Geschäftskonzept der Beklagten sehe vor, dass die erheblichen Preisvorteile nur registrierten Mitgliedern gewährt würden. Um die niedrigen Lagerhaltungskosten bei gleichzeitigem Erreichen eines bestimmten Grund­umsatzes zu gewährleisten, sei eine entsprechende Bindung der Mitglieder erforderlich. Dieses Vorgehen sei sowohl sachlich als auch datenschutz- und wettbewerbsrechtlich gerechtfertigt. Das Gericht verglich die vorliegende Situa­tion mit der Praxis, bestimmte Vergünstigungen an den Besitz einer Mitgliedskarte zu knüpfen.

Auch in dem Umstand, dass eine Mitgliedschaft im Online-Shop ohne Einwilligung in den Bezug des Newsletters nicht abgeschlossen werden kann, sei keine datenschutzrechtlich geschützte Benachteiligung zu sehen.

Die Entscheidung, keinen Vertrag über die Mitgliedschaft im Online-Shop abzuschließen und gleichzeitig die Einwilligung in den Bezug des Newsletters zu verweigern, sei von der Privatautonomie der Beklagten gedeckt. Zudem sei die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit der Einwilligung in den Erhalt des Newsletters gewährleistet.

Nach Ansicht des Gerichts liege daher keine unzulässige Kopplung im Sinne des Art. 7 Abs. 4 DSGVO vor.

Learning: Kopplungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO gilt nicht absolut
Das LG München hat damit entschieden, dass das Kopplungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 DSGVO nicht absolut gilt. Unternehmen dürfen die Privatautonomie einschränken, solange dies verhältnismäßig und auf den Einzelfall zugeschnitten ist. Ungekoppelte Einwilligungen sind nur dann erforderlich, wenn der Betroffene auf den Vertragsschluss angewiesen ist und nicht nur, um eine Wahlmöglichkeit zu haben.

Die enge Auslegung des Art. 7 Abs. 4 DSGVO wird häufig missverstanden. Es wird angenommen, dass eine Einwilligung nur dann erforderlich ist, wenn die Datenverarbeitung für die Leistungserbringung erforderlich ist. In diesen Fällen ist jedoch gar keine Einwilligung erforderlich, da die Datenverarbeitung bereits durch Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO gerechtfertigt ist. […]

Wird die Freiwilligkeit nicht ernsthaft in Frage gestellt, führt eine Koppelung unter Beachtung der weiteren Anforderungen nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung.

Das LG München betonte zudem, dass es grundsätzlich der unternehmerischen Freiheit unterliege, Vergünstigungen oder Vorteile unter bestimmten Bedingungen anzubieten. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls (z.B. Mitgliedschaften in Online-Shops, Gewinnspiele, Bezug von Whitepapers oder Teilnahme an Webinaren) und die konkrete Ausgestaltung der Kopplung. Zusätzliche Anforderungen können sich aus den ab Anfang 2022 geltenden Regelungen zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte (vgl. § 327 Abs. 3 BGB) und § 312 Abs. 1a BGB ergeben. […]
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