„Nulltarif-Optionen“ nicht zulässig
(…) Die „Nulltarif-Optionen“ „StreamOn“ der Telekom sowie der „Vodafone-Pass“ verstoßen gegen das im EU-Recht verankerte Prinzip der Netzneutralität. Dabei handelt es sich um die Pflicht, alle Daten im Internet ohne Diskriminierung oder Störung gleich zu behandeln. Dementsprechend sind diese Tarife mit dem Unionsrecht unvereinbar, so der Gerichtshof der Europäischen Union in drei Urteilen vom 2.9.2021 (Az. C-854/19, C-5/20 und C-34/20).
Was ist die Besonderheit bei den beiden Tarifen?
Bei einer sogenannten „Nulltarif-Option“ bietet ein Mobilfunkanbieter Datenverkehr ganz oder teilweise einen kostenlosen oder vergünstigten Tarif an. Diese Daten werden dann nicht auf die im Rahmen des Basistarifs erworbene Datenmenge angerechnet. Konkret bedeutet das folgendes: Bei den Tarifoptionen „StreamOn“ von der Telekom und dem „Vodafone Pass“ wird der Datenverkehr für Audio- und Videostreaming sog. Contentpartner nicht auf das mit dem Mobilfunktarif vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen angerechnet. Das hat folgenden Vorteil: Normalerweise drosselt der Mobilfunkanbieter die Internetgeschwindigkeit, wenn ein gewisses Datenvolumen aufgebraucht wird. Musik- oder Videostreaming verbraucht aber viele Daten, sodass das Limit sehr schnell erreicht wäre.
Bei StreamOn willigt der Kunde für bestimmte Mobilfunktarife zudem in eine generelle Bandbreitenbegrenzung für Videostreaming auf maximal 1,7 Mbit/s ein, was für eine Auflösung in HD-Qualität nicht mehr genügt. Dies geschieht unabhängig davon, ob es sich um Videostreaming von Contentpartnern oder sonstigen Anbietern handelt.
Die Nutzung von des „Vodafone Pass“ ist zudem nur innerhalb Deutschlands vorgesehen. Im Ausland wird der Datenverkehr für Audio- und Videostreaming immer auf das Inklusivdatenvolumen angerechnet. Darüber hinaus rechnet Vodafone den Datenverbrauch bei einer Nutzung über Hotspot („Tethering“) auf das im Tarif enthaltene Datenvolumen an.
Tarife verstoßen gegen Netzneutralität
Das Verwaltungsgericht (VG) Köln (Az. 9 K 8221/18 – Vodafone; Az. 9 K 4632/18 – StreamOn) und das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatten dem EuGH einige Detailfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Sie wollten wissen, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass die Telekom die Bandbreite limitiert bzw. Vodafone Tethering oder Roaming einschränkt, wenn der Kunde eine solche „Nulltarif-Option“ wählt.
Der EuGH ist auf diese Detailfragen nicht eingegangen, denn er hat nun beide Tarifoptionen für gänzlich unvereinbar mit dem Unionsrecht erklärt. Mit den „Nulltarif-Option“ werde auf der Grundlage kommerzieller Erwägungen eine Unterscheidung innerhalb des Internetverkehrs vorgenommen, indem der Datenverkehr zu bestimmten Partneranwendungen nicht auf den Basistarif angerechnet wird. Eine solche Geschäftspraxis verstoße aber gegen die allgemeine Pflicht, den Verkehr ohne Diskriminierung oder Störung gleich zu behandeln (Netzneutralität). (…)
Nach der EuGH-Entscheidung dürften die Tarife StreamOn und Vodafone-Pass (…) vor dem Aus stehen, weil sie grundsätzlich und nicht nur in Einzelheiten gegen die Netzneutralität verstoßen. Die Entscheidung hat damit auch eine Signalwirkung für andere Anbieter, die solche Angebote wohl nicht mehr machen können. Möglicherweise könnte das aber auch zu einem Vorteil für die Kunden werden: Denn die einzige rechtlich legale Alternative, um dauerhaftes Musik- und Videostreaming zu ermöglichen, wäre wohl eine EU-weite Datenflatrate.
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