OLG Brandenburg: Kein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Personalisierung bei vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten
Das Verbraucherwiderrufsrecht kann für Maßanfertigungen ausgeschlossen werden, die auf die persönlichen Bedürfnisse eines Verbrauchers zugeschnitten sind. Kein anderer gesetzlicher Ausschlussgrund wird von Händlern aber öfter zu weitgehend interpretiert und damit unzulässig herangezogen. Dass ein Widerrufsrechtsausschluss wegen Personalisierung etwa ausscheidet, wenn nur vordefinierte Konfigurationsoptionen vorhanden sind, entschied nun das OLG Brandenburg.
I. Der Sachverhalt
Am 30.12.2020 erwarb der Kläger über eBay von der Beklagten ein Apple MacBook zu einem Kaufpreis von 7049 Euro. Auf der Angebotsseite konnten persönliche Konfigurationen aus einem Menü ausgewählt werden, etwa hinsichtlich des Prozessors, des Arbeitsspeichers, der Festplatte und der Grafikkarte. Die Auswahl erfolgte jeweils über ein Dropdown-Menü.
Apple, der Hersteller, hat seine MacBooks so konstruiert, dass einzelne Komponenten fest mit dem Mainboard verlötet sind und somit nicht zerstörungsfrei voneinander getrennt werden können. Von allen zur Auswahl stehenden Komponenten wählte der Kläger jeweils die leistungsstärkste Variante. Nachdem der Kläger das Gerät erhalten hatte, sandte er es an die Beklagte zurück.
In einer E-Mail teilte er der Beklagten zusätzlich mit, dass er den Kauf des Gerätes widerrufe und die Rückabwicklung des Vertrages widerrufe. Als der Verkäufer den Widerruf nicht akzeptieren wollte, klagte der Käufer schließlich auf Rückzahlung.
Mit Urteil vom 1.9.2023 (Az: 8 O 58/21) wies das LG Potsdam die Klage ab. Das Gericht befand, dass es sich bei dem Gerät um keine vorgefertigte Ware handle und dem Kläger kein Widerrufsrecht zustehe. Für die Herstellung des Notebooks sei eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch maßgeblich gewesen.
Zwar könne das Widerrufsrecht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dennoch gegeben sein, wenn die Anfertigung aus verschiedenen Bauteilen rückgängig gemacht und die Komponenten dann problemlos veräußert werden könnten. Dies sei bei dem streitgegenständlichen Notebook aber nicht der Fall. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
II. Die Entscheidung
Das OLG Brandenburg stellte mit Urteil vom 16.7.2024 (Az: 7 U 133/23) fest, dass es sich im vorliegenden Fall um keine hinreichende Personalisierung im Sinne des §312g Abs. 2 Nr. 1 BGB handle und mithin das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen sei, sodass es die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilte.
Das Widerrufsrecht bestehe nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt seien und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich sei oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sei.
Mit dieser Regelung werde Art. 16 lit c der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie umgesetzt. Nach Nr. 49 der einleitenden Erwägungen zur Richtlinie sollten unter anderem für Fernabsatzverträge bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht gelten, wenn diese nach Kundenspezifikationen angefertigt oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten seien.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers begründe ein erhöhtes Absatzrisiko des Verkäufers. Unabhängig davon, ob der Verkäufer seine vertraglichen Pflichten erfülle oder nicht, könne der Verbraucher den geschlossenen Vertrag ohne Begründung widerrufen.
Bei Fernabsatzverträgen müsse der Verkäufer also damit rechnen, dass der Kunde seinen Kaufentschluss ändert oder die Ware zurückgibt, weil er sie etwa bei einem anderen Anbieter günstiger gesehen hat. Dann sei er da-rauf angewiesen, die zurückgegebene Ware anderweitig zu veräußern. Wenn die Ware aber aufgrund einer Maßanfertigung nach Angaben des Käufers nicht ohne weiteres erneut verkauft werden könne, sei dieses Risiko dem Verkäufer nicht mehr zuzumuten (BGH, Urteil vom 19.03.2003 – VIII ZR 295/01; Staudinger/Thüsing (2019) BGB § 312g Rn. 22).
Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht seien eng auszulegen. Nur solche Fälle seien vom Schutzzweck der Norm erfasst, in denen das Absatzrisiko wegen der Fertigungen nach Angaben des Käufers erhöht sei.
Das streitgegenständliche Notebook unterliege nicht dem Ausschluss des Widerrufsrechts. Es handle sich um kein Produkt, das durch individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher hergestellt werde. Dahinstehen könne dabei, ob das Notebook tatsächlich von Apple auf die konkrete Bestellung des Klägers bzw. der Zwischenhändlerin, von der die Beklagte es bezogen habe, gefertigt worden sei. Nicht entscheidend sei, ob die Produktion der bestellten Ware im Voraus erfolge oder ob sie zur Vermeidung von Lagerkosten erst entsprechend der Nachfrage vorgenommen werde (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2003 – VIII ZR 295/01). Anderenfalls könne das Widerrufsrecht in bestimmten Fällen allein mit einer nachfrageorientierten Produktion eingeschränkt werden.
Vielmehr komme darauf an, dass das MacBook nicht nach individueller Auswahl durch den Verbraucher, sondern serienmäßig in bestimmter Bauart hergestellt und hinsichtlich der vier Komponenten Prozessor, Arbeitsspeicher, Grafikkarte und Festplatte gefertigt werde. Die Auswahl des Kunden aus den vom Verkäufer vorgegebenen Möglichkeiten stelle keine vom Kunden für die Produktion vorgenommene Bestimmung im Sinne der Vorschrift dar. Dazu fehle es an einer individuellen, vom Verkäufer erst mit der Bestellung zu berücksichtigender Vorgabe. (…)
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