Online-Shop-Masterclass: Online-Coaching benötigt keine Zulassung als Fernunterricht
Online-Coachings sind im heutigen Zeitalter in vielen Bereichen allgegenwärtig. Der Klassiker dürften weiterhin Coachings sein, die beim Aufbau eines Unternehmens helfen. Doch handelt es sich bei solchen Online-Coachings möglicherweise um einen Fernunterricht, der einer Zulassung bedarf? Dieser Frage ging nach dem LG Hamburg nun das OLG Hamburg nach und beurteilte dabei, ob es für einen Fernunterricht tatsächlich auf die räumliche Trennung ankommt.
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat kürzlich entschieden, dass Online-Coaching ohne Überwachung des Lernerfolgs nicht der Zulassung nach § 12 Fernunterrichtsschutzgesetz bedürfe. Ein Verbraucher sei daher trotz Widerrufs eines Vertrages mit einem gewerblichen Anbieter von E-Commerce Coachings verpflichtet, die vereinbarte Vergütung in vollem Umfang zu zahlen. Damit widersprach das OLG einem früheren Urteil des Landgerichts Hamburg (Urt. v. 20.02.2024, Az. 10 U 44/23).
Streit um Honorarzahlung zwischen Coaching-Unternehmen und Kunden
Wer beispielsweise auf YouTube unterwegs ist, bekommt ab und zu sicherlich Werbung für sogenannte „Business Coachings“ angezeigt. Meist wird in solchen Werbeclips versprochen, dass die Coachings dabei helfen sollen, zum Beispiel einen Online-Shop aufzubauen oder Geld mit Trading zu verdienen. Viele dieser Angebote sind jedoch nicht seriös und bieten keinen Mehrwert, weshalb die Online-Coachings mit Vorsicht angegangen werden sollten.
Nun wurde ein solches Coaching Gegenstand eines Streits vor dem LG Hamburg. Ein angehender E-Commerce-Händler suchte sich Hilfe für den Aufbau eines Online-Shops, der auf T-Shirt-Verkäufe ausgelegt sein sollte. Dafür wollte sich der angehende Händler einen Coach zur Seite holen – also vereinbarte er ein unverbindliches Telefongespräch mit dem Anbieter Cook Consulting, das ein Coaching zum Thema „Erfolgreiche Online Shops“ anbot. Das unverbindliche Gespräch überzeugte den Kunden, also einigte er sich mit dem unter einem Pseudonym auftretendem Coach auf ein sechsmonatiges Coaching. Vereinbart wurde ein sogenanntes „Eins-zu-eins“-Mentoring, der Preis belief sich auf 6.366,50 Euro.
Insgesamt wurden 144 Stunden Online-Coaching sowie 40 Stunden Videomaterial angeboten. Noch während des Telefonats hatte der Coach dem Kunden folgende Nachricht geschickt: „Möchtest du M. die Masterclass bewusst als Unternehmer zum Aufbau deines online Shops und Gewerbes neben deinem Angestellten Job kaufen?“ Zwar antwortete der angehende Kunde mit „Ja“. Nach Eingang der Rechnung mit Ratenzahlungsvereinbarung kamen ihm aber Bedenken, weshalb er den Vertrag widerrief. Die Beratungsfirma zeigte sich von dem Absprung jedoch wenig begeistert und ging für das Honorar vor Gericht.
OLG: Kein Fernunterrichtsvertrag
Das Hanseatische OLG entschied nun, dass der Vertrag nicht als Fernunterrichtsvertrag im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes zu betrachten sei, da er keine systematisch aufbereiteten Lerninhalte umfasse, die hauptsächlich über Distanz vermittelt werde. Auch das Merkmal der „Überwachung“ im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes erfordere im Kontext von Coaching-Verträgen keine wiederholte Überwachung des Lernerfolgs. Vielmehr reiche eine einmalige Überwachung aus oder das Recht des Lernenden, eine solche Überwachung einzufordern. Stattdessen konzentriere sich der Coaching-Vertrag auf die individuelle Beratung und Unterstützung beim Aufbau eines E-Commerce-Geschäfts. Daher sei der Vertrag rechtsgültig und der Verbraucher müsse die vereinbarte Summe bezahlen.
Das Urteil betont, dass nicht alle digitalen Bildungsangebote automatisch unter das Fernunterrichtsschutzgesetz fallen. (…)
Vorinstanz: LG Hamburg sah Coaching noch als Fernunterricht
Anders hatte noch das Landgericht Hamburg entschieden, wonach Online-Coachings Fernunterricht und daher auch zulassungspflichtig seien. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass es beim Fernunterricht auf die räumliche Trennung ankommt. Der Vertrag war nach Auffassung des LG Hamburg aufgrund der fehlenden Zulassung nichtig. Die Beratungsfirma konnte nach dieser Ansicht nicht das Honorar geltend machen (Urt. v. 19.07.2023, Az. 304 O 277/22).
Zur Erläuterung führte das LG Hamburg aus: Vertragsinhalt sei laut Gericht der Fernunterricht gewesen. Solche Kurse müssten jedoch nach § 12 Abs. 1 S. 1 Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen werden. Eine solche Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht habe hier jedoch nicht vorlegen, demnach sei der Vertrag nichtig.
Die rechtliche Beurteilung hing im Wesentlichen von der Frage ab, ob die Anforderung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des FernUSG erfüllt war, wonach eine „ausschließlich oder überwiegend räumliche“ Trennung zwischen Lehrern und Schülern ein Merkmal für Fernunterricht darstellt. Die Coaches argumentierten hingegen, dass das Fehlen eines persönlichen Kontakts entscheidend sei: Ähnlich wie im herkömmlichen Präsenzunterricht säßen die Beteiligten beim Online-Coaching einander gegenüber, nur eben unter Verwendung von Kameras. Diese Sichtweise wird in der vorhandenen, wenn auch begrenzten Literatur und Rechtsprechung teilweise vertreten, räumten die Hamburger Richter ein. Bereits in der Gesetzesbegründung von 1975 (Seite 14) sei jedoch Unterricht, bei dem die Stimme des Lehrenden hauptsächlich durch Tonaufnahmen in einen anderen Raum übertragen wird, als Fernunterricht eingestuft worden. Dies zeige laut dem LG, dass die räumliche Trennung im wörtlichen Sinne zu verstehen sei – also unabhängig von den technischen Möglichkeiten, die Distanz zu überbrücken.
Darüber hinaus argumentierte das LG, würde der Zweck des Gesetzes – nämlich der Schutz vor unseriösen Lehrgangsangeboten – gegen eine Auslegung sprechen, die Videounterricht von der Anwendung des Gesetzes ausnehmen würde. Das FernUSG würde laut dem Gericht außerdem nicht nur Verbraucher schützen. Demnach sei es irrelevant, dass der Kunde den Vertrag als Unternehmer schließen wollte.
• www.wbs.legal