Simply the Best – Freischein zu Drittnutzung Marktwert Tina Turner
Bundesgerichtshof spricht Aneinanderreihung von Liedern Kunstwerk-Charakter zu
Das Landgericht (LG) Köln hat der Klage wegen Unterlassung der Nutzung ihres Namens und Bildnisses der weltberühmten „Rock-Röhre“ Tina Turner (Klägerin) mit ihrem unnachahmbaren lebendigen Stimmen-Timbre stattgegeben gegen die Produzentin (Beklagte), die von einer Sängerin namens Dorothea „Coco“ Fletcher (DF) in einer sog. Tribute-Show, werbend angekündigt mit verwechslungsfähiger Plakatabbildung von DF mit Tina Turner (gestylt, gekleidet und in Physiognomie sehr ähnlich) und mit der Headline „SIMPLY THE BEST – DIE Tina Turner SHOW“, die größten Hits der Klägerin konzertmäßig präsentierte. Weder wurden Nutzungs-/Verwertungsrechte der Klägerin an Namen und Bildnis von der Beklagten eingeholt noch hat die Klägerin solche der Beklagten eingeräumt und übertragen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Berufungsverfahren, das das LG-Urteil aufhob und die Klage abwies, und der Bundesgerichtshof (BGH; Urteil vom 24.2.2022 – I ZR 2,/21) dem OLG folgend der Revision der Klägerin keinen Erfolg gab, sahen dies anders. Die der Beklagten als Produzentin zustehende Kunstfreiheit nach Art. 5 III 1 GG (Grundgesetz) legitimiere ihre Vorgehensweise (Rdn 52). Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals sei mit der Werbung für eine solche Tribute-Show nur dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt werde, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit (Urteil, 3. Leitsatz, Satz 2).
Welch lebensfremde, realitätsferne Einschätzung des BGH, die die grundrechtlich geschützte Kunstfreiheit und das Persönlichkeitsrecht der Klägerin grundlos dem allein kommerziellen Interesse der nur als Trittbrettfahrerin agierenden beklagten Produzentin, das jeglicher eigenen künstlerischen Leistung entbehrt, anheimgibt. Insofern argumentiert der BGH selbst widersprüchlich, da er einerseits darauf hinweist, wer durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will, könne sich nicht auf den Schutzbereich der Kunstfreiheit berufen (Urteil, Rdn 48), andererseits ein berechtigtes Kunstinteresse der Beklagten dadurch fingiert wird, der Charakter eines Kunstwerks bestehe bereits „letztlich nur aus einer Aneinanderreihung von Liedern der Klägerin“; es bedürfe nicht eines künstlerisch hochwertigen Musicals mit Inszenierung einer Handlungsgeschichte (Rdn 52, 59). Auf den Plakaten verwirkliche die Beklagte ihr zustehende Rechte der Kunstfreiheit (Anm.: welche?), denen gegenüber ein rein wirtschaftliches Interesse der Klägerin, ihre Popularität finanziell nach ihren eigenen Vorstellungen zu verwerten, zurücktreten müsste (Rdn. 53).
Das „Unterstützen“ der Show durch die Klägerin hat nicht zur Voraussetzung, wie der BGH unrichtig unterstellt (Rdn 52, 53, 54, 64, 65), die Klägerin müsse in irgendeiner Form an der Tribute-Show irgendwie aktiv mitwirken, vielmehr partizipiert die Beklagte durch verwechslungsfähigen Bild-, Namens-Bezug, Imagetransfer von Tina Turner, Erweckung falschen Eindrucks bei potentiellen Konzertbesuchern am einzigartigen Ruf und Bekanntheitsgrad der Klägerin zwecks Veranlassung von Besuchern, sich die beklagtenseits präsentierte unbekannte DF anzuhören, die ohne die verfahrensgegenständliche nachhaltige Verknüpfung mit der Topkünstlerin Tina Turner keine Besucher herangelockt hätte.
Fadenscheinig wollen OLG und BGH glauben machen (Rdn 54), „Der durchschnittliche Betrachter des Plakats erhalte somit allenfalls den Eindruck, dass eine der jüngeren Kl. (Klägerin) ähnlich sehende Sängerin in der Show der Bekl. (Beklagten) auftrete.“ Unbehelflich wird folgend gerichtlich in Verkennung der Tatsachen angemerkt: „Nichts Anderes folgt aus der Verwendung des Namens der Kl. in der Formulierung „DIE tina turner STORY“. Die substanzlosen dicta von OLG, BGH erstaunen umso mehr, als der Imagetransfer von Tina Turner expressis verbis zugestanden wird (Rdn 69): „Darüber hinaus findet insoweit ein Imagetransfer statt, als die Show auch von Teilen des Publikums den Liedern und dem Leben der weltberühmten Kl. zugeordnet wird, die nicht bereits durch Verwendung des Liedtitels der Kl. „Simply the best“ zu einer solchen Assoziation gelangen. In diesem Sinne ist auch die Abbildung einer der Kl. täuschend ähnlich sehenden Person geeignet, den Eindruck der Authentizität der beworbenen Show zu erwecken oder verstärken.“ Indem der BGH weiters zugesteht (Rdn 12): „Das Ber.Ger. (Berufungsgericht) hat zutreffend angenommen, dass die Bekl. in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild der Kl. eingegriffen hat(.)“, bleibt völlig unverständlich, dass die von der Klägerin über viele Jahrzehnte erarbeitete künstlerische Top-Position im Vergleich zu einer allenfalls handwerklichen Aneinanderreihung von Musiktiteln der beklagtenseits präsentierten Sängerin DF in der Weise zurückstehen soll, dass unter Umgehung eines Zustimmungsrechts verbunden mit angemessener Lizenz seitens der Klägerin ihre berechtigten wirtschaftlichen Interessen mit Basis ihrer langjährigen hochwertigen künstlerischen Leistungen unterschlagen werden.
Geradezu eine Farce, dass OLG und BGH die Verletzung des Namens von Tina Turner mit Folge des Unterlassungsanspruchs der Beklagten verneinen (Rdn 83), da der Titel der Show der Beklagten „SIMPLY THE BEST“ laute, während der Zusatz „DIE tina turner STORY“ eine zutreffende Beschreibung des Inhalts der Show darstelle – die Story der Lieder-Aufeinanderfolge im Konzert … Bestätigt darüber hinaus zwar der BGH aus seiner eigenen Rechtsprechung, dass die Nutzung des Namens einer Person „bei einer Nutzung zu kommerziellen Zwecken – in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 1 I, Art. 2 I GG in der Ausprägung des Rechts am eigenen Namen eingreifen“ kann (Rdn 85), wird aber eine Interessenabwägung „konstruiert“, indem dem Namensrecht der Klägerin an ihrem Namen Tina Turner seitens der beklagten Produktionsfirma eine (erdichtete) „Kunstfreiheit“ sowie – ergänzend – unternehmerische Freiheit gegenübergestellt werden. (Rdn 86). Dies ein nicht auf gleicher abwägungsfähiger Ebene versuchtes „Gebilde“, das Anlass zur Prüfung richterlicher Befangenheit geben könnte.
Dass die tatsächlich auf dem Werbeplakat abgebildete Person nicht identisch mit der Person ist, die aus Sicht eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen Publikums (vermeintlich) abgebildet ist (dazu Rdn 44), kann bei richterlich anzustellender Gesamtschau nicht dazu führen, dass die beklagte Produzentin sich mit ihr nicht zuzuordnendem Grundrecht der Kunstfreiheit allein auf Kosten und zu Lasten der renommierten klägerischen Künstlerin eine immense Einnahmenquelle verschafft, die ausschließlich in ihrer ohne eingeholter Zustimmung erfolgten Verwendung des Namens, der verwechslungsfähigen Abbildung der Klägerin sowie verbunden mit der Anknüpfung an ihren Superhit „Simply the best“ begründet ist.
• Dr. Fidelio Unger, 29.8.2022